Quelle:
Ein Kapitel aus dem Bucht „Ein Leben mit Bienen“
von Hans Musch, Imker in Oberschwaben
Zahlreiche Zeugnisse uralter, vergessener Kulturen belegen, dass Honig seit Urzeiten als wertvollstes Nahrungs- und Heilmittel bekannt ist. Instinktiv erkannten unsere Vorfahren die stärkende, heilende und belebende Kraft des Honigs. In den Mythologien der Griechen, Römer, Ägypter und Araber wurde dem Honig größte Ehre zuteil, er wurde gepriesen als Götternahrung und heilige Göttergabe. Seine Heilkraft wurde von Plinius, Aristoteles, Hippokrates und Paracelsius beschrieben, um nur einige zu nennen.
Heute im Zeitalter „moderner Nahrungsmittel“ ist Honig als harmonisierendes Urheil- und Nahrungsmittel von unschätzbarem Wert. Der Entstehungsprozess des Honigs ist seit Jahrmillionen unverändert – unveränderbar – geblieben. Aufbauend auf sich ergänzenden Prozessen zwischen Pflanze und Biene spiegelt er Vollkommenheit wider. Heute weiß man, dank wissenschaftlicher Methoden, dass Honig eine Fülle von Wirkstoffen beinhaltet. Im Gegensatz zu dem üblichen isolierten Haushaltszucker, der ausschließlich aus schwerver-daulicher Saccharose besteht und dem alle für seine Verstoffwechselung notwendigen Begleitstoffe entzogen wurden, sind die Inhaltsstoffe des ursprünglichen Pflanzensaftes im Honig vollständig enthalten. Mehr noch, verfeinert durch Substanzen der Blüten wird der Pflanzensaft zum Nektar. Die Bienen veredeln den Nektar, in dem sie ihn mit wertvollen, körpereigenen Fermenten bereichern und die Zuckerstoffe in leichtverdauliche Kohlenhydrate verwandeln. Sie konzentrieren dieses süße Nahrungsmittel und lassen es in den sechseckigen Zellen ihrer Waben ausreifen, wo es unter Verschluss von Wachsdeckelchen aufbewahrt wird. Auch nach der Ernte ist Honig über Jahre hinweg haltbar.
Zuckerstoffe sind umgewandelte Sonnenergie. Wir nehmen sie in Form von Kohlenhydraten als lebenswichtige Energielieferanten zu uns. Im Honig liegen sie in einfacher, leichtver-daulicher Form als Frucht- und Traubenzucker vor und gehen, ohne den Körper zu belasten, sofort ins Blut über. Der Traubenzucker ist Treibstoff für Gehirn und Muskeln, Fruchtzucker wird als Glykogen in der Leber gespeichert und steht dort als Energiereserve zur Verfügung.
Für die Verwertung von Kohlenhydraten benötigt der Körper Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine. Diese werden vom Honig als Begleitstoffe mitgeliefert, die darüber hinaus für die Unterstützung wichtiger Organfunktionen sowie für die Blutbildung sorgen und Mangel-erscheinungen ausgleichen können. Neben den zahlreichen Fermenten, die die Tätigkeit des Magens und des Verdauungstraktes fördern, und den über 100 verschiedenen Aromastoffen, ätherischen Ölen und Säuren, die je nach Honigsorte verschiedene Heilwirkungen entfalten, wurde das Hormon Acethylcholin im Honig nachgewiesen. Dieses hat einen positiven Einfluss auf Herztätigkeit und Kreislauf, reguliert den Blutzuckerspiegel, steuert den Zucker-abbau und unterstützt die entgiftende Funktion der Leber. Auch mit antibakteriell wirkenden Substanzen haben die Bienen den Honig ausgestattet. Daher eignet sich der Honig nicht nur als bewährtes Mittel gegen grippale Infekte, sondern auch als hervorragendes Wundheilungsmittel, wie neueste wissenschaftliche Untersuchungen beweisen.
Nur ein naturbelassener Honig, der nicht über 40° erwärmt wurde, kann seine volle Kraft entfalten. Trotzdem sollte man auch beim Backen Honig dem Zucker vorziehen, da wertvolle Inhaltsstoffe des Honigs, wie die Einfachzucker, Mineralstoffe und Spurenelemente erhalten bleiben. Schon bei der Teigbereitung sorgen die natürlichen Hefen und Fermente des Honigs für eine Lockerung und seine aromatischen Komponenten für eine Geschmacksverfeinerung des Gebäcks.
Somit ist Honig durch seine vielen kunstvoll miteinander verknüpften Substanzen und das Zusammenwirken seiner Inhaltsstoffe ein vollwertiges Nahrungs- Heil- und Genussmittel zugleich, eine lebensspendende Energiequelle, die unseren Körper bereichert und seine Widerstandskraft fördert, während der weiße Haushaltszucker unserem Körper wichtige Stoffe wie Vitamine und Mineralien entzieht, uns durch seine leere Energie schwächt und belastet und zudem, vor allem bei Kindern, Suchterscheinungen hervorruft. Auch der dem weißen Zucker vorzuziehende Vollrohrzucker enthält hauptsächlich Saccharose (80-90%), die als Zweifachzucker bei den heute für gewöhnlich konsumierten Mengen eine Belastung für den Körper darstellt. Wurde er hier außerdem durch Kochen eingedickt, ist die Vitalkraft dieses Nahrungsmittels herabgesetzt. Zu naturbelassenem Honig gibt es keine Alternative. Er ist durch seine weiterhin wirksamen, aktiven Fermente sozusagen ein „lebendiges“ Lebensmittel, eine einzigartige Rohkost.
Da in den vergangenen Jahren Resistenzen gegen Antibiotika zugenommen haben, interessiert sich die Wissenschaft wieder besonders für die Inhaltsstoffe des Honigs. Sie hofft, wirksame Behandlungen gegen widerstandsfähige Krankheitserreger zu finden. Mit Erfolg, denn Wissenschaftler aus Wales und der Schweiz sind den Geheimnissen des Honigs auf die Spur gekommen.
Honig in guter Qualität vom Imker enthält neben vielen anderen Inhaltsstoffen Glukonsäure, Wasserstoffperoxid und Inhibine. Die Glukonsäure sorgt für ein saures Milieu im Honig. Dadurch werde viele Keime in ihrer Vermehrung gehindert. In den vergangenen Jahren haben Resistenzen gegen Antibiotika stark zugenommen. Wasserstoffperoxid schädigt den Stoffwechsel der Krankheitserreger. Als Inhibine bezeichnet man eine Gruppe verschiedener entzündungshemmender Wirkstoffe, z.B. Lysozym, Flavonoide und aromatische Säuren.
Außerdem rückt der Honig den Krankheitserregern mit einem physikalischen Trick auf die Pelle. Durch den hohen Gehalt an Zucker entzieht er den Keimen Wasser. Sie trocknen aus und sterben ab. Die antibiotischen Wirkstoffe im Honig rücken sogar den gefürchteten Stämmen der Stahpylococcus-Bakterien zu Leibe.
Warme Milch mit Honig bleibt immer noch bei Husten und Heiserkeit das Mittel der Wahl. Am besten kommen die Honigwirkungen jedoch zur Geltung, wenn man sich einen Löffel der süßen Medizin langsam auf der Zunge zergehen lässt – oder den Honig im Kräutertee genießt.
Auch äußerlich hat sich Honig bei Wundbehandlungen bewährt. Der Honig wird auf die Verletzung aufgetragen, dadurch wird die Wunde luftdicht verschlossen. Inzwischen hat auch die Industrie reagiert und honigimprägnierte Verbände und Wundbandagen entwickelt.
(Warnung vor Selbstversuchen: Der natürliche, frische Honig darf dafür nicht verwendet werden. Der in der Medizin verwendete Honig wird zuvor bakteriell und klinisch gereinigt.)